Stadt beauftragt unabhängige wissenschaftliche Untersuchung zur Rolle des Ehrenbürgers Dr. h.c. Ernst Sigle im Nationalsozialismus

Die Stadt Kornwestheim ist sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bei der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit bewusst. Deshalb unternimmt sie einen weiteren Schritt im 2010 gestarteten Aufarbeitungsprozess: Nach der Untersuchung der Stadtgeschichte und der teilweisen Erforschung der Salamander-Firmengeschichte während der Zeit des Nationalsozialismus wird die Stadtverwaltung nun ein tiefergehendes Gutachten zur Person des damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. h.c. Ernst Sigle in Auftrag geben. 

Ziel ist es, das Leben und Wirken des Ehrenbürgers und Namensgebers des Gymnasiums, Dr. h.c. Ernst Sigle, zu untersuchen. Auch seine Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender von Salamander während der Zeit des Nationalsozialismus und im Kontext der Firmengeschichte soll betrachtet werden.

Vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Wertediskussion, in der bundesweit die namensgebenden Personen von Schulen oder auch Straßen sowie Ehrenbürgerschaften kritisch hinterfragt werden, strebt die Stadt Kornwestheim nun die transparente wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte Sigles an und folgt dabei auch geäußerten Bitten aus der Bevölkerung. Es ist der Stadt gelungen, für dieses Gutachten die erfahrene Historikerin Dr. Anne Sudrow zu gewinnen. Sie ist im Themenfeld außerordentlich erfahren und wurde bereits 2010 mit dem Hedwig-Hintze-Preis für ihr Buch "Der Schuh im Nationalsozialismus: eine Produktgeschichte im deutsch-britisch-amerikanischen Vergleich" ausgezeichnet. Sobald das Gutachten vorliegt, wird die Stadt der Öffentlichkeit die Ergebnisse vorstellen.

"Von verschiedenen Seiten sind Fragen zur Person und Rolle unseres Ehrenbürgers Dr. h.c. Ernst Sigle in der NS-Zeit an uns herangetragen worden – Fragen, die wir derzeit nicht beantworten können. Uns ist wichtig, das wertvolle Erbe und die positiven Spuren zu bewahren, die Salamander in unserer Stadt hinterlassen hat. Gleichzeitig sind wir uns aber auch unserer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst – gerade auch mit Blick auf das Gymnasium", erklärt Oberbürgermeister Nico Lauxmann. "Hinter uns liegt ein intensiver Abwägungsprozess mit vielen Gesprächen. Eine solche Auseinandersetzung fällt nicht leicht – weder uns als Stadtverwaltung noch weiteren Beteiligten. Gemeinsam mit dem Gemeinderat sind zu dem Entschluss gekommen, das Leben und Wirken Sigles – mit all seinen positiven und negativen Seiten – historisch-wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen. Und dies in aller Transparenz, mit der gebotenen Sachlichkeit und durch das Engagement einer erfahrenen Historikerin."

Bereits in der Vergangenheit hat sich die Stadt Kornwestheim auf unterschiedliche Weise kritisch mit ihrer eigenen Geschichte auseinandergesetzt, um auf diesem Wege eine offene Erinnerungskultur zu fördern. 

Die Meilensteine

Nachdem die städtische Ausstellung "Von Jakob Cie. zur Marke Salamander" 2010/11 bereits die Stadtgeschichte von 1933 bis 1935 gestreift hatte, wurde 2013 ein städtischer Forschungsauftrag zur Aufarbeitung der Geschichte Kornwestheims 1930-1949 vergeben. Dieser mündete 2017 im Buch "Volksgemeinschaft in der Kleinstadt" von Prof. Dr. Thomas Großbölting.

In der Folge wurde 2018/19 in der städtischen Ausstellung "Das Reich war uns kein Traum mehr. Wahn und Wirklichkeit. Kornwestheim 1931-1945" die Geschichte der bis 2008 ortsansässigen Salamander AG vertiefend in den Blick genommen. Dabei wurden unter anderem die "Arisierung" der Firma ab 1933, die Zwangsarbeit und die sogenannte "Schuhprüfstrecke" im KZ Sachsenhausen bei Berlin thematisiert.

Im November 2024 wurde vor dem Rathaus eine Gedenktafel für die Opfer nationalsozialistischer Zwangsarbeit in Kornwestheim eingeweiht, wobei Salamander als größte Firma die meisten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beschäftigte.

(Erstellt am 19. September 2025)